Insights
Digitalisierung & KI
Zum Thema Digitalisierung und die Auswirkungen auf die Unternehmen in Bezug auf die Technologische Veränderungen und Ihr Einfluss auf die Zusammenarbeit in Unternehmen sprachen wir mit Marcus Meier. Durch das Interview führte Andreas Fischer-Lindemeier.
Die Demokratisierung der IT
AFL: Herr Meier, Sie sind im Leadership-Bereich für Digitalisierung verantwortlich. Wie kommen Sie zu diesem Thema ?
MM: Ich habe mich im Zuge von Vertragsverhandlungen zu komplexen Ausschreibungen gefragt, ob sich der Kalkulationsprozess nicht automatisieren lässt. Dann kamen später im Zuge von Linienfunktionen im Bereich IT und Controlling noch Fragestellungen zu Architektur, Analysen und Unternehmenssteuerung hinzu. Daraus ist dann irgendwann eine Leidenschaft geworden und ich helfe nun Kunden als Berater im Bereich Digitalisierung einen Schritt weiter zu kommen. Nicht selten war es so, dass wir als Berater dann gerufen wurden, wenn schon interne Digitalisierungsprojekte vor dem Scheitern standen. Ich kam mir dann vor wie ein Fußballtrainer, der den Club vor dem Abstieg retten soll. Durch diese Erfahrungen verstehe ich aber, was der Wert der Digitalisierung ist, was die richtigen und nächsten Schritte sind, um Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben und welche Fehler vermieden werden sollten. Da es für mich auch eine Leidenschaft ist, gebe ich mein Wissen als Berater gerne weiter und fokussiere mich vor allem aber darauf, dass Ergebnisse erreicht werden.
AFL: Für wen ist das Thema Digitalisierung relevant und wie hängt das mit den anderen Beratungsschwerpunkten wie Business Purpose, Strategie und Nachhaltigkeit zusammen?
MM: Die Digitalisierung ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess und für alle Privatpersonen und Unternehmen relevant. Vor 15 Jahren hätte ich eventuell gesagt, dass ein intuitiver und erfolgreicher Unternehmer auch ohne Digitalisierungsambitionen erfolgreich sein kann, alle anderen aber davon profitieren werden. Dann hätte ich aber das Ausmaß unterschätzt, in dem neue Technologien mit hoher Geschwindigkeit und Einfachheit zugänglich gemacht werden. Auch Technologien wie künstliche Intelligenz können heute nicht nur als Anwendung genutzt, sondern relativ leicht durch verfügbare Cloud-Dienste für das eigene Geschäftsmodell adaptiert werden. Wenn Marktbegleiter hier noch nicht aktiv sind, werden sie es sicher zeitnah sein oder es kommen neue starke Wettbewerber hinzu. Wer sich vor 10 Jahren aber beispielsweise schwer getan hat, den Office 365-Dienst von Microsoft anstelle von Lösungen auf eigenen Servern für das eigene Unternehmen zu nutzen, wird sich heute wahrscheinlich auch schwer tun, die wesentlichen Schritte zu unternehmen, um Cloud-Dienste wie künstliche Intelligenz oder Automatisierung für sich nutzbar zu machen. Das ist eine Frage der unternehmerischen Weitsicht mit Blick auf Wandel, Transformation, Unternehmenszweck und -sinn, Werten sowie Strategie. Daher ist das Thema Digitalisierung eng verzahnt mit Nachhaltigkeit, Unternehmensleitbild sowie Unternehmensstrategie. Die Beschäftigung mit der Digitalisierung ist auch keine rein technologische Frage, sondern betrifft die gesamte Zusammenarbeit in Organisationen sowie die Art und Weise wie Organisationen funktionieren.
AFL: Inwiefern haben die technologischen Veränderungen Einfluss auf das gesamte Unternehmen?
MM: Die herausragenden technischen Änderungen sind für mich, die Nutzung von Cloud-Diensten, zum einen als Infrastrukturersatz und zum anderen in Form von Anwendungsdiensten wie Datenanalyseplattformen oder Bot Services, die Automatisierung von Daten und Prozessen sowie Künstliche Intelligenz. Dabei ist vor allem die Performance z.B. bei der Verarbeitung großer Datenmengen sowie der leichte Zugang zu diesen Technologien beeindruckend. Mit leichter Zugänglichkeit meine ich, dass ein Dienst im Minutentakt bestellt, genutzt und wieder abbestellt werden kann. Durch sogenannte „Low-Code-Plattformen“ werden auch keine Entwicklerkenntnisse benötigt, sondern auch „Nicht-ITler“ können sich jetzt ihre Anwendungen bauen. Wir reden hier von Demokratisierung der IT. Fachbereiche bauen sich ihre eigenen Anwendungen. Das strategische Management ist in der Lage, sich mit vertretbarem Aufwand in Themen reinzuarbeiten, die früher IT-Experten vorbehalten waren, und IT-Fragen mit strategischer Relevanz aus einem Verständnis heraus zu entscheiden. Auch wenig digitalisierte Unternehmen sind schnell in der Lage, von den enormen Digitalisierungspotentialen zu profitieren, ohne groß in IT-Ressourcen zu investieren. Der Aufbau eines Webshops beispielsweise kann ohne Aufbau eines Webservers und Programmierung der Webseite leicht innerhalb des laufenden Tages bewerkstelligt werden. Die Fähigkeit eines Unternehmens nach einer guten Idee in kurzer Zeit neue Produkte einzuführen ist immens gestiegen.
Neben den enormen Potentialen, die hierdurch entstehen, gibt es gewiss auch Fragen und Risiken, beispielsweise in Bezug auf Sicherheit und Kosten. Wo liegen meine Daten und wer kann darauf zugreifen, wer alles kann in meinem Unternehmen die Dienste abrufen und wie werden diese dann bezahlt ? Berechtigte Fragen, die beantwortet werden müssen und durch neue Rollen in der Organisation, Regeln der Zusammenarbeit und eine klare Governance gelöst werden müssen. Neue Rollen bedeutet neben der Zuordnung von Verantwortlichkeiten auch, dass ich das Wissen hierfür aufbauen muss und eine gewisse „digitale Einstellung“ und Verantwortungsbewusstsein als Mindset in der Unternehmenskultur verankern muss.
Der technologische Aspekt ist daher nur ein Teil unserer Digitalisierungsberatung. Zusammengefasst haben die technologischen Veränderungen Einfluss auf Unternehmenskultur, Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen, Kosten- und Risikomanagement, die Arbeit der Fachbereiche selbst sowie die Art und Weise wie Top Führungskräfte Entscheidungen zu Digitalisierungsthemen treffen. Auch das Projektportfoliomanagement und die Einführung neuer Produkte ist durch die Möglichkeiten, schnell neue Technologien zugunsten des „time-to-markets“ schnell einzuführen, in unserem Beratungsansatz eingebunden. Zudem müssen bei der Einführung Geschäftsprozesse überarbeitet und unternehmensweit harmonisiert werden. Bei der Einführung eines ERP-Systems schauen wir uns beispielsweise die kaufmännischen Prozesse eines Unternehmens wie Rechnungseingang und -ausgang, Bestellung- und den Planungsprozess an und sorgen für eine unternehmensweite Handhabung der Dinge. Terminologien müssen dabei einheitlich und konsistent sein. Sonst können wir das systemtechnisch nicht effektiv umsetzen.
AFL: Und wie fangen Sie dabei in einem Unternehmen an?
MM: Grundsätzlich unterscheiden sich die Empfehlungen je nach kundenspezifischen Gegebenheiten und Zielen.
Es ist hilfreich, wenn unser Kunde ein klares Bild zu Unternehmenssinn und -zweck sowie Zielen und Strategie hat. Wenn nicht, fangen wir da an. Wir ermitteln dann die spezifischen Potentiale auch durch eine Bestandsaufnahme des Marktumfeldes sowie der Prozesse, Projekte und Systeme. Danach legen wir Ziele und Strategie für Digitalisierung, IT, Sicherheit und Architektur mit den Maßnahmen fest, die ausgearbeitet und umgesetzt werden sollen.
Wichtig ist, dass wir ein Unternehmen nicht überfordern und mit wenigen Maßnahmen anfangen, die das höchste Nutzen-/Kostenverhältnis mit sich bringen. Vorteile können z.B. die Erschließung neuer Geschäftsfelder, schnellere Markteintrittsgeschwindigkeiten („time-to-market“), Prozessinnovationen in Form höherer Produktivität oder geringerer Kosten oder einfach nur die Ablösung analoger Prozesse sein. Zu den Kosten gehören neben dem monetären Aspekt, leider auch die Gefahr, dass die Ziele durch schlechtes Management nicht erreicht werden. Z.B. erfordert die kosteneffektive Nutzung von Cloud-Services auch, dass Kapazitäten reserviert werden. Hierfür wird eine genaue Planung benötigt und es muss geregelt werden wer unter welchen Regeln Services abrufen darf. Eine schlechte Planung und fehlende bzw. nicht implementierte Regeln führen zu höheren Kosten und Chaos in Form von Intransparenz und Verlust an Steuerungsfähigkeit.
Jede Maßnahme enthält daher die Komponenten Governance, Organisation, Prozesse, Daten und Technologie inklusive Architektur und Sicherheit.
AFL: Wie würde dabei konkret die Umsetzung einer Maßnahme aussehen?
MM: Eine Maßnahme könnte die Auflösung aller Rechenzentren mit ihren Servern und Anwendungen („on-premise“-Lösungen) zugunsten von Cloud-Lösungen sein.
Es gibt zum einen den analytischen und prozessualen Aspekt, wo ich mich damit beschäftigen muss, welche Anwendungen gibt es, auf welchen Servern liegen diese, welche Anwendungen brauche ich noch, was ist die richtige Zielumgebung und wann, nach welchen Verfahren migriere ich. Dies erfolgt im Rahmen von Infrastruktur- und Workload Assessments und Abhängigkeitsanalysen, die zu einer Zielarchitektur und Migrationsplanung führen.
Vor der konkreten Migration ist aber die Frage wichtig und zu klären, wie wird das Management der zukünftigen Architektur gestaltet und gewährleistet. Hierfür legen wir konkrete Ziele fest und schaffen die Grundlagen in Verträgen („Enrollment“) mit den Lieferanten, Portalen zum Abrufen von Leistungen („Marketplaces“) und Aufbau eines Monitorings. Da es Auswirkungen auf die Organisation und die Zusammenarbeit gibt, bereiten wir den Kunden darauf vor, Organisationsänderungen voranzutreiben und neue Rollen im Unternehmen zum Management der Cloud zu schaffen. Im Beispiel Cloud arbeiten wir nach FinOps. FinOps ist ein Konzept mit Praktiken zur bestmöglichen Ausnutzung der Cloud-Dienste. Hierzu gehören Arbeitsanweisungen und Regelungen zur Zusammenarbeit, Automatisierung, Kosten-Optimierung, Ziele und Kennzahlen, Berichtswesen und vor allem Ausbildung. Letztlich legen wir in Zusammenarbeit mit dem Kunden Policies für die Regelungen von Sicherheits- und Compliance-Anforderungen fest.
Das wäre jetzt die Auflösung von Rechenzentren als Ganzes. Es sind aber auch Teil-Maßnahmen denkbar oder wir fangen mit etwas ganz anderem an.
AFL: Was würden Sie Unternehmen raten, die in der Digitalisierung nun aufholen wollen?
MM: Das wichtigste ist das anfangen. Lieber mit einer kleinen Maßnahme, z.B. Digitalisierung eines Prozesses, eines eines Bereiches oder Beschränkung auf eine Technologie, anfangen. Dabei sollte ich trotzdem methodisch arbeiten, mir ein Ziel setzen und dieses dann, Schritt für Schritt abarbeiten und dabei die nicht-technologischen Aspekte, z.B. Organisation, Unternehmenskultur und die Mitarbeiter, nicht vergessen.
Im Zweifel würde ich mich kontaktieren. Ich beschäftige mich mit Digitalisierung, weil es mir Spaß macht und rede gerne über das Thema.