Insights
Strategie und Finanzen
Unternehmenslenker und CFOs müssen sich heutzutage auf eine Vielzahl möglicher Zukunftsszenarien einstellen. Führungskräfte müssen entscheiden, welche Maßnahmen sie unabhängig von der Entwicklung des Umfelds ergreifen sollten und welche Risiken sie eingehen sollten, um ihr Unternehmen mutig voranzubringen angesichts steigender Komplexität und Unsicherheit.
„Unternehmensstrategie und Finanzstrategie sind eng miteinander verknüpft.“
Die Steuerungsfähigkeit des Unternehmens im Blick behalten
Angesichts steigender Komplexität und Unsicherheit führten wir ein Gespräch mit Reinhold Hartig, zu den Konsequenzen für Strategie und Unternehmenssteuerung. Moderiert wurde das Interview von Renate Sebestyen.
RS: Herr Hartig, Sie sind im Leadership-Bereich für Strategy & Corporate Finance verantwortlich. Wie kommen Sie zu diesem Thema?
RH: Zum einen ist es die langjährige Berufs-, Führungs- und Transformationserfahrung, die ich für dieses Themengebiet mitbringe. Ich habe in den letzten mehr als 30 Jahren viele Projekte im Strategie und Finance Umfeld begleitet oder verantwortet und dabei festgestellt, dass die wesentliche Konstante, die ein erfolgreiches Unternehmen ausmacht, die Veränderungs- und Transformationsbereitschaft ist. D.h. sich immer wieder zu hinterfragen, wie es dauerhaft gelingen kann, besser, agiler, schneller, effizienter zu werden, ohne aber die Ziele und die Steuerungsfähigkeit aus den Augen zu verlieren. Dies ist nur möglich, wenn es gelingt, die Strategien und das Finance-Steuerungsmodell an die veränderten Herausforderungen anzupassen und miteinander zu verlinken, also integriert zu betrachten.
Ich habe es mir zum Prinzip gemacht, zunächst unabhängig von den Rahmenbedingungen im Unternehmen den stets besten Lösungsansatz frei von den vorliegenden Rahmenbedingungen herauszufinden (Greenfield-Ansatz). In einem Folgeschritt erst geht es für mich darum, den Greenfield-Ansatz an die spezifischen Rahmenbedingen des Unternehmens anzupassen. Damit gelingt es, den Best-Practice-Ansatz mit dem vorhandenen Fundament zu verbinden, oder anders gesagt: Zukunft mit Herkunft zu verbinden.
Daraus hat sich für mich eine Leidenschaft entwickelt; und das ist der zweite Aspekt, weshalb ich das Themengebiet verantworte. Es geht mir stets darum, anhand der vorliegenden Rahmenbedingungen den für das Unternehmen besten Strategie- und Finance-Lösungsansatz für einen Veränderungsprozess zu finden und dabei alle Beteiligten mitzunehmen, denn ohne Motivation und Überzeugung der Beteiligten gelingt keine Veränderung.
RS: Wie hängen Unternehmens- und Finanzstrategie eines Unternehmens zusammen?
RH: Unternehmensstrategie und Finanzstrategie sind eng miteinander verknüpft.
Die Unternehmensstrategie ist – wie der Begriff es schon sagt – eine unternehmensweite und übergeordnete Strategie; sie leitet sich aus der Vision eines Unternehmens ab. Die Unternehmensstrategie legt die lang- und mittelfristigen Ziele und die Richtung des Unternehmens fest.
Die Finanzstrategie ist eine Substrategie, abgeleitet aus der Unternehmensstrategie. Aus der Finanzstrategie werden die finanzwirksamen Ziele eines Unternehmens abgeleitet, die über die Finanzplanungen in quantitative Planungsergebnisse überführt werden. Die Finanzstrategie bestimmt z.B., welchen finanziellen Spielraum ein Unternehmen hat, um in neue Geschäftsfelder zu investieren. Daraus werden etwa Entscheidungen über Kapitalaufnahme, Investitionen und Finanzierungsmöglichkeiten getroffen.
Um solche Entscheidungen treffen zu können, muss das Unternehmen die finanzwirksamen Ziele quantitativ darstellen, Zielabweichungen werden in einem Anschlussprozess rollierend über Ist-Daten zeitnah und transparent dargestellt, um die richtigen Gegensteuerungsmaßnahmen ergreifen zu können. Damit wird die Unternehmensstrategie quantitativ umgesetzt (Steuerungskreislauf).
Eine gute Integration der Finanzstrategie in die Entstehung der Unternehmensstrategie ist also entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens.
RS: Wie kann ein Unternehmen den Unternehmenswert steigern?
RH: Der Unternehmenswert kann zunächst auf verschiedene Arten gemessen oder bewertet werden. Gängige Methoden sind beispielsweise die Buchwertmethode, die Discounted Cash-Flow Methode und die Marktwertmethode.
Unabhängig von der angewendeten Methode bedeutet die Steigerung des Unternehmenswertes vereinfacht gesagt, dass ein Unternehmen im Zeitablauf wertvoller wird. Dies kann über unterschiedliche Einzelmaßnahmen bzw. einer Kombination von Maßnahmen realisiert werden, etwa durch ergebniswirksame Kostenreduktion, durch organisches Wachstum oder durch Investitionen in die Erweiterung des eigenen Produkt-Portfolios oder durch Zukäufe als Folge von M&A-Aktivitäten. Ein Strauß weiterer Optimierungsmaßnahmen ist denkbar.
Die eigentliche Kernfrage ist jedoch: Wie nachhaltig bzw. dauerhaft gelingt es einem Unternehmen, den Unternehmenswert pro-aktiv und gezielt zu steigern. Hierfür müssen Unternehmen in der Lage sein, sich permanent zu erneuern, sich schnell an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen und das Geschäftsmodell laufend zu hinterfragen und ggfs. anzupassen oder modernisieren. Über diesen Weg müssen Strategien und Ziele entwickelt werden, um die notwendigen Veränderungen umzusetzen. Diese Strategien und Ziele müssen zum einen vom Markt honoriert werden, zum anderen für Mitarbeiter in der Umsetzung verständlich sein und auch von Partnern (z.B. Lieferanten) mitgetragen werden.
RS: Welchen Einfluss haben M&A Transaktionen und Carve-outs auf den Unternehmenswert?
RH: M&A-Transaktionen und Carve-outs können sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Unternehmenswert haben.
Positive Auswirkungen auf den Unternehmenswertes werden durch Erhöhung der ergebniswirksamen Synergieeffekte erzielt z.B. durch Kostenoptimierung infolge von Personaleinsparungen oder Zusammenlegung von Bereichen oder eine verbesserte Auslastung der Ressourcen. Auch Diversifikation und der Zugang zu neuen Märkten und Ressourcen sind Synergieeffekte, die sich positiv auf den Unternehmenswert auswirken können.
Umgekehrt können negative Auswirkungen aus M&A-Transaktionen dann entstehen, wenn die gewünschten und gesehenen Synergien auf der Kosten-, Umsatz- oder Margenseite sich im Zeitablauf nicht realisieren lassen, da z.B. die Integration nicht gelingt oder zu lange dauert und zu hohe Kosten verursacht, oder weil die Unternehmen von ihren Unternehmenskulturen nicht zusammenfinden oder weil IT-Systeme und Prozesse nicht zusammenführbar sind. Bei Care-Outs ist zusätzlich der Verlust von Kernkompetenzen als Risiko rechtzeitig zu lösen.
Wie man sieht, hängen die Auswirkungen einer solchen M&A-Transaktion auf den Unternehmenswert von vielen Faktoren ab, einschließlich der Größe und Art der Transaktion, dem Zustand des Zielunternehmens und der Fähigkeit, die Integrations- und Transformationsrisiken zu managen.
Das A und O und damit der langfristige Erfolg oder Misserfolg einer M&A-Transaktion hängt von einer guten und zielorientierten Vorbereitung und Einbindung aller Stakeholder ab. Schon zu Beginn ist die Transaktion eine wichtige Führungsaufgabe, die intensiv über ein Acquisitions- und Transformationsprojekt begleitet werden muss, ggfs. mit der Unterstützung von externen Partnern. Für eine erfolgreiche Transaktion muss ein positives Klima geschaffen werden, das den Stakeholdern und Mitarbeitern vor allem die Vorteile der Transaktion bewusst macht. Nur so können Integrationsrisiken weitgehend minimiert werden.
RS: Wie hängen strategische Planung und Finanzplanung eines Unternehmens zusammen?
RH: Strategische Planung und Finanzplanung eines Unternehmens hängen eng zusammen. Die strategische Planung legt die langfristigen Ziele und den Kurs bzw. die Richtung des Unternehmens fest, während die Finanzplanung sicherstellt, dass die strategischen Ziele in quantitative Zielvorgaben münden. Über die Finanzplanung werden die strategischen Ziele so bewertet, dass sie zahlenmäßig (quantitativ) konkretisierbar sind; sie werden also transparent und messbar und an Stakeholder kommunizierbar. In der Regel stellt die Finanzplanung die mittelfristigen quantitativen Zielgrößen (z.B. Umsatz, Ergebnis, Jahresüberschuss, Eigenkapital- und Fremdkapitalausstattung) des Unternehmens dar über einen Planungshorizont von 3-5 Jahren, während das 1. Planjahr i.d.R. das zu erreichende Budget repräsentiert, dass von den Unternehmensgremien (z.B. Aufsichtsrat) genehmigt wird.
RS: Was sollte ein CFO unbedingt berücksichtigen?
RH: Unabhängig davon wie groß ein Unternehmen ist oder wie die einzelnen Aufgaben im Management verteilt sind, hat sich der Job eines CFOs in den letzten Jahren stark verändert. Zusätzlich zu den klassischen Aufgaben des CFOs als „Statthalter im Unternehmen“, der vor allem die finanzielle Stabilität und Kontinuität sowie Legal-, Tax- und Risk-Compliance sicherstellt, muss heute ein CFO in einem zunehmend dynamischen und komplexen Umfeld vor allem Flexibilität und Offenheit mitbringen und sich mit seinem Team schneller als in der Vergangenheit Veränderungsprozessen und Innovationsthemen stellen. Dabei möchte ich drei Themen beispielhaft in den Vordergrund rücken.
Die Digitalisierung hat viele Geschäftsprozesse verändert und CFOs müssen sicherstellen, dass sie auf diese Veränderungen reagieren, indem sie Finanzsysteme und -prozesse modernisieren und mit schnell implementierbaren Datenanalysetools ergänzen und erweitern. Schnell implementierbare Standard IT-Tools und -Analyseinstrumente (z.B. Power BI-Analysen, Cloudlösungen für die Weiterverarbeitung von großen Datenmengen) erweitern heute schnell und flexibel die Datenanalysemöglichkeiten deren Darstellungsfähigkeit und unterstützen Steuerungsprozesse. Insoweit halte ich es für notwendig, dass der CFO und sein Team eine hohe Affinität und Bereitschaft entwickeln das heute bereits in vielen Standardanwendungen verfügbare und meistens schon kostenfreie Lösungsportfolio zu nutzen. Oder mit anderen Worten: Der CFO-Bereich muss das Image loswerden nur Excel als Standardauswertungstool anzuwenden.
Das Thema Nachhaltigkeit und Economic-Social-Governance (ESG) hat die Anforderungen an die Steuerung und den Nachweis von gezielt eingesetzten Umwelt-, Sozial- und Governance-Maßnahmen im Unternehmen erweitert. Für die CFO-Organisation wird es immer wichtiger sicherzustellen, dass die Finanzentscheidungen mit den ESG-Zielen des Unternehmens übereinstimmen. Um an ESG relevanten Daten zu kommen, muss die CFO-Organisation außerhalb des heutigen kaufmännischen Systems die relevanten Daten sammeln und aufarbeiten. Auch hier helfen dabei standardisiert verfügbare Datenbanklösungen und Analyseinstrumente.
Ein weiteres neues Themenfeld möchte ich bewusst mit Resilienz-Management umschreiben, also die Fähigkeit der CFO-Organisation die Auswirkungen von Krisensituationen zu antizipieren oder als Chance für Veränderungen zu sehen. Resilienz-Management geht für mich über Risikomanagement hinaus. Wirtschaftliche Unsicherheiten durch z.B. politische Konflikte, Naturkatastrophen und gestörte Lieferketten wirken sich auf die Finanzen des Unternehmens aus. CFOs müssen versuchen solche Risiken durch Szenarien und Simulationen rechtzeitig abzuschätzen, um im Bedarfsfall entsprechend handeln können. Dies erfordert m.E. die Erweiterung des Risikomanagementansatzes durch entsprechende Indikatoren und KPIs.
RS: Wie messe ich den Erfolg eines Unternehmens und wie hilft mir das bei der Unternehmenssteuerung?
RH: Der Erfolg eines Unternehmens kann auf verschiedene Weise gemessen werden. Da sind natürlich vor allem die finanzielle Daten, wie Umsatz, Gewinn, Cashflow und Return on Investment (ROI), Kapitalstruktur, Verschuldungsgrad, Deckungsbeitrag eines Produktes. Daneben spielen aber auch Kunden- und Mitarbeiter sowie Prozess- und technische Erfolgskennzahlen eine Rolle.
Indem man regelmäßig diese Kennzahlen misst, kann man den Erfolg des Unternehmens beurteilen und sie zu einem integralen Bestandteil der Unternehmenssteuerung machen. Dies kann zu Entscheidungen führen, wie man das Unternehmen weiterentwickeln und Optimierungspotentiale identifizieren kann. Außerdem kann man Trends erkennen und Vorhersagen treffen, um das Unternehmen für die Zukunft besser vorzubereiten.
Welche Kennzahlen für ein Unternehmen relevant sind, muss gemeinsam mit dem Management festgelegt werden. Das Ergebnis ist dann Bestandteil des zu implementierenden Steuerungsmodells und des übergeordneten Unternehmenssteuerungskonzeptes.